Rock op Platt3

„Rock op Platt“ ist mittlerweile ein Schlagwort für plattdeutsches Musiktheater in Hochform.
Schon der erste Teil der Trilogie, bei dem noch ein beschaulicher Bauernhof Schauplatz witziger Alltagsgeschichten war, bot einen Einblick in das verborgene Leben amüsanter Gestalten aus der Provinz. Im zweiten Teil brachte der unerwartete Besuch der herrschsüchtigen Schwiegermutter des Hofeigners das idyllische Landleben gehörig durcheinander. Episode Drei ist die Fortsetzung der erfolgreichen Mischung aus plattdeutscher Dialektik und bekannten Melodien mit großem Wiedererkennungswert. Allerdings hat Sandra Keck den Bauernhof von der Bühne verbannt und erzählt die Geschichte bekannter Märchengestalten, die sie durch den Poppenbütteler Märchenwald toben lässt. Rock op Platt Episode Drei mischt bekannte Märchenmotive mit Witz und Klischees auf und ist im Unterschied zu den ersten beiden Episoden eher collagenhaft aufgebaut. Eine durchgängige Handlung erschließt sich einem als Zuschauer daher nicht unbedingt. Dafür ist die Märchenausgabe von „Rock op Platt“ aber sehr dynamisch und schwungvoll. Diesmal gibt es einen Erzähler, der sich aus dem Hintergrund zu Wort meldet und den Szenen einen Rahmen gibt.
Im Vordergrund stehen die amüsant überzeichneten Figuren in teilweise skurriler Paarung oder einfach schrägen Situationen.
Sein Essbesteck ist Herr Wolf beispielsweise auf der Stelle wieder los, als er auf die mannstolle Großmutter trifft, die den unangemeldeten Besucher nicht so einfach wieder ziehen lassen will und den Spieß einfach umdreht. Dabei vergeht dem Herrn Wolf selbst das letzte Bisschen Appetit. Aber auch die anderen Märchengestalten draußen im Wald scheinen irgendwie allesamt den bekannten Rollen entrückt und stecken scheinbar mitten in einer Art Persönlichkeitskrise. Schneewittchen möchte zum Beispiel endlich jemanden um sich haben, der größer ist als siebzig Zentimeter. Und Rumpelstilzchen packt der Liebeshunger, als es das flotte Rotkäppchen trifft. Sein großes Talent aber liegt – wie bei einer Revue auch nahe liegend – eher im musikalischen Bereich. Eine andere Passion hat das schuhgeile Aschenputtel, das seine neuen High Heels besingt und im Kontrast dazu als Frau keine gute Figur macht.
Das Aschenputtel wirkt nämlich lustiger Weise weniger wie eine heimliche Prinzessin in den falschen Kleidern, als vielmehr zu männlich für jede Frauenbekleidung. Trotzdem lässt Sandra Keck einen wahren Hormontornado durch den Märchenwald fegen. Die Märchenfiguren ziehen teilweise in lederner Korsage über die Bühne, und selbst die rockende Waldhexe kommt sehr attraktiv daher. So ist Rock op Platt Episode Drei nicht nur ein Ausflug in den Märchenwald, sondern erscheint zumindest stellenweise wie eine Flucht vor der Prüderie des Alltags. Andererseits kokettiert die Autorin Sandra Keck auch offen mit Klischees und parodiert andeutungsweise TV-Shows oder Gesellschaftstrends. Das Wachküssen der schlafenden Prinzessin wird beispielsweise zu einem Prinzen-Casting, bei dem einer nach dem anderen von der Stimme aus dem Off abgewiesen wird. Auch als Regisseurin und Darstellerin dreht Sandra Keck richtig auf und überzeugt außerdem noch stimmlich, wenn sie zur Melodie eines Bonnie Tyler-Hits nicht – wie in der englischsprachigen Vorlage - nach einem Helden verlangt, sondern von einer Hexe singt. Das ist einer der musikalischen Höhepunkte des Abends. Aber auch Tanja Rübcke, die genau wie Sandra Keck als Darstellerin Rock-op-Platt-erfahren ist, überzeugt als Schneewittchen schauspielerisch wie auch stimmlich. Ein dramaturgischer Dauerhöhepunkt ist Markus Gillich als Aschenputtel und Rumpelstilzchen. Sein Auftritt nach Art von DJ Ötzi mit dem unverkennbaren Häkelkäppchen als Hitröhrenmitra auf den roten Kobold-Haaren reißt das Publikum mit. Horst Arenthold, der auch zuvor schon bei „Rock op Platt“ mitwirkte, ist die treffende Besetzung für die Rolle des Herren Wolf mit sonorer Stimme. Am Schlagwerk fungiert Horst Arenthold bei einigen Liedern als rhythmischer Taktgeber. Annabelle Mierzwa begeistert als attraktives Rotkäppchen mit einer besonderen Version von „I’m walking on sunshine“, indem sie auf Plattdeutsch singt „Wenn ich durch den Wald geh’". Bereits zu Beginn des ersten Akts lockert besonders der weibliche Teil des Ensembles seine Hüften beim Stepptanz. Schnell wird deutlich, dass Stephan Grühn Choreograf ist, so dass man sich sehr gut mehr Choreografien wie beim Opening vorstellen könnte und vielleicht auch wünschen würde. Hervorzuheben ist das gelungene Bühnenbild, das einen überdimensionalen Bilderrahmen zeigt- allerdings passend zur Handlung in schräger Form. Dahinter sieht man die Live-Band unter der musikalischen Leitung von Stefan Hiller in Aktion, davor die Darsteller. Als Nebenkulisse fungieren quasi die Filmeinspielungen, die entweder den Märchenerzähler Uwe Friedrichsen oder die Märchenfiguren in Outdoor-Szenen zeigen. Die Figuren treten auch spielerisch in einen Dialog mit dem Erzähler. Musical-Zeitung.de meint: Rock op Platt Episode Drei ist eine furiose Revue und eine musikalische Märchenshow, die vor allem Erwachsene begeistert und Märchen einmal anders zeigt.