Axel Schneider

Intendant

Musical-Zeitung.de: Das Altonaer Theater zeigte in den vergangenen Jahren viele Musiktheaterproduktionen wie "Sister Soul", "Jailbirds", "Sing!Sing!SIng!" oder "Das Orangenmädchen". Würden Sie sagen, dass Musicaladaptionen so eine Art Programmhöhepunkt im Altonaer Theater darstellen?

Axel Schneider:
Die genannten Produktionen waren auch Saisonhöhepunkte, weil sie alle sehr gut geworden sind und vom Publikum gefeiert wurden. Die jeweilige Musicalproduktion stellt aber auch deswegen etwas Besonderes dar, weil das Altonaer Theater in seinem Selbstverständnis erst einmal ein Sprechtheater ist. Deswegen bemühen wir uns auch sehr bei den Besetzungen Schauspieler mit der Doppelbegabung Schauspiel/Gesang zu verpflichten, so dass die szenische und psychologische Glaubwürdigkeit sehr hoch gehalten wird.




 

Axel Schneider Foto: Markus Steffen

Musical-Zeitung.de: Welchen Bezug haben Sie als Intendant zum Musiktheater? Welchen Stellenwert haben Musicals für Sie in der aktuellen Theaterlandschaft?

Axel Schneider:
Man wird es mir heute vielleicht kaum noch glauben, aber ich habe als junger Student bei einem Besuch in Wien zweimal mehrere Stunden für Studentenkarten der großen Musicals (allerdings auch für Opernkarten) angestanden. "Selbstverständlich" hatte ich aber auch "Les Miserables" von Victor Hugo vorher gelesen...
Der Stellenwert der Musicals für eine Touristenstadt wie Hamburg ist hinlänglich bekannt. Ich finde aber schön, dass es auch in diesem Genre eine große Spannweite gibt zwischen den bombastisch aufwändigen Musicals und den kleinen, feinen Liederabenden (die ich mir erlaube, mal zu diesem Genre dazuzuzählen), wie wir sie z.B. in den Kammerspielen mit großem Erfolg produzieren.
Die Konkurrenz des Theaters ist das Fernsehen und eine zunehmende Passivität der Menschen, sich den vielen Angeboten "draußen" noch stellen zu wollen. In diesem Sinne ist es auch wichtig, mit den Musicals eine kleinere Hemmschwelle für ein breites Publikum zu haben, das sich erst einmal amüsieren möchte und vor dem Besuch des Sprechtheaters zögert.

Musical-Zeitung.de:
Ist nach Ihrer Erfahrung das Publikum der Musicals ein anderes als das, das sonst ins Altonaer Theater geht?

Axel Schneider: Das hängt auch sehr vom individuellen Stück ab. Aber natürlich gibt es Menschen, die gerne große Musicalthemen im kleineren Format sehen wollen. Zumal die Karten nur noch ein Viertel des Preises der großen Musicals kosten und man dennoch in den Genuss einer "My fair Lady", "Sugar" oder eben "Sister Soul" und "Sing Sing Sing - Das Leben der Andrew Sisters" kommen kann.
Bei unserem letzten Sommerhit "Hello, I'm Johnny Cash", den wir im Juli ein letztes Mal wiederaufnehmen werden, kamen zudem natürlich viele explizite Johnny Cash-, Gunther Gabriel- oder Helen Schneider - Fans zum Teil zum ersten Mal in's Altonaer Theater.

Musical-Zeitung.de: Nach welchen Kriterien haben Sie in der Vergangenheit die Musiktheaterproduktionen ausgewählt?

Axel Schneider:
Seitdem wir im Altonaer Theater unter dem Motto "Wir spielen Bücher" Theater machen, versuchen wir natürlich auch das jeweilige Sommermusical an dieses Motto anzulehnen. Ich bin deswegen sehr glücklich, dass wir ab diesem August mit Nick Hornby's Bestseller "High Fidelity", der ja zudem auch sehr erfolgreich verfilmt wurde, dieser Identität treu bleiben können und eine tolle Story mit super Musik für jung und ältere auf die Bühne bringen werden.

Musical-Zeitung.de: Für die Musiktheaterproduktionen haben Sie immer wieder eine tolle Besetzung gewinnen können, wie z.B. Carolin Fortenbacher als Orangenmädchen, aber auch den Musicalkenner und Komponisten Mathias Christian Kosel für beispielsweise "Jailbirds" . Wäre das nicht ein Grund, mehr Musiktheater zu machen?

Axel Schneider: Genauso wie im Schauspiel, haben wir über die Jahre immer mehr Erfahrung gesammelt, aber auch immer mehr tolle Kontakte zu hervorragenden Künstlern aus dem Musicalbereich geknüpft.
Da gehört "König der Löwen" - Hauptdarsteller Willi Welp als Regisseur genauso dazu, wie die Musikalischen Leiter Mathias Kosel, Mathias Stötzel und Stephan Sieveking, so wie in den Kammerspielen Dietmar Löffler. Bei den Darstellern gibt es in Hamburg eine erlesene Szene, aus der ich heraus besonders auf Love Newkirk, Jasmin Wagner, Tommaso Cacciapuoti und eben Carolin Fortenbacher verweisen möchte. Carolin Fortenbacher wird z.B. ab Juli in den Kammerspielen in der Uraufführung „Sylt-ein Irrtum Gottes?“ wieder zu sehen sein. Alle sind eng mit dem Haus verbunden und sollen immer wieder kommen.

Musical-Zeitung.de: Was - meinen Sie - ist das Besondere am Altonaer Theater? Was hat das Altonaer Theater, was andere nicht haben?

Axel Schneider:
Das Altonaer Theater hat mit seinem sehr schönen Foyer eine angenehme Atmosphäre, die Bühne ist die viertgrößte Sprechtheaterbühne Hamburgs und hat damit einige (technische) Möglichkeiten, wir scheuen auch nicht vor großen Besetzungen zurück (oft bis zu 15 Darsteller und Musiker) und können deswegen erst einmal eigentlich jeden Stoff realisieren und die konsequente Besetzung mit Schauspielern = Sängern schafft eine ungewöhnlich hohe Qualität in puncto Authentizität der Figuren und deren emotionaler Sogwirkung für die Geschichte.

Musical-Zeitung.de: Was würden Sie als Intendant gerne an der Theaterlandschaft verändern?

Axel Schneider:
Nichts. - Wir organisieren gerade das erste bundesweite Privattheatertreffen in Hamburg und ich darf einmal mehr feststellen, wie reichhaltig, vielseitig und von hoher Qualität und Fantasie gerade das Hamburger Theaterangebot geprägt ist. Es wäre aber schön, wenn die Bedeutung von Kultur gerade für eine Metropole stärker im Bewußtsein und in den Programmen der Politik verankert wäre. Dann würde zudem auch in den Medien noch mehr Aufmerksamkeit dafür geschaffen werden. Viele Menschen würden den ersten Schritt in's Theater tun oder ihn öfter tun, wenn sie noch stärker, noch häufiger, noch nachhaltiger auf die Idee gebracht würden. Die Mittel für eine noch intensivere Werbung ist den meisten Kulturanbietern nicht gegeben. Und viele Menschen ahnen dadurch gar nicht, wie bereichernd, beglückend, unterhaltend und kommunikativ ein gemeinsamer schöner Theaterabend ist.

Musical-Zeitung.de: Vielen Dank für das nette Interview!

Stand: 04/2012